- Blog
- No comments
Und spielt das eine Rolle?
Von Susanne Lakoni und Michael Thiel
Um komplexe Herausforderungen zu bewältigen und Agilität zu steigern, ist gelingende Zusammenarbeit ein wesentlicher Faktor. Vor allem sogenannte „Wicked Problems“ können nicht von Einzelnen verstanden oder gelöst werden, sie brauchen Zusammenarbeit, sowohl innerhalb von Organisationen als auch zwischen Organisationen, beispielweise bei der Entwicklung neuer Produkte, der Planung von Städten (Smart City) oder der Optimierung öffentlicher Leistungen von Kommunen, Behörden usw. Allerdings sind nicht alle Probleme komplex und dynamisch und erfordern somit auch weniger intensive Zusammenarbeit. Wenn man den Bedarf an Zusammenarbeit falsch einschätzt kann man leicht zu viel oder zu wenig des Guten tun.
Von den Inuits (Eskimos) wird gesagt, sie kennten 100 verschiedene Worte für unterschiedliche Schneezustände (wobei die genaue Zahl umstritten ist). Es scheint also so zu sein, dass umso lebenswichtiger etwas wird, umso mehr lohnt es sich genauer hinzuschauen und zu differenzieren. Das scheint uns auch für die zunehmend wichtigere Zusammenarbeit von Bereichen, Gruppen und Organisationen ein Thema zu sein.
Wir wollen hier die drei Begriffe Koordination, Kooperation und Kollaboration näher beleuchten, herausarbeiten, was sie bedeuten, verbindet und unterscheidet und wo welche Formen der Zusammenarbeit in Frage kommen. Eindeutige, allgemein akzeptierte Definitionen gibt es für die drei Begriffe nicht, wir entwickeln hier deshalb unter Verwendung anderer Autoren, unserer Erfahrungen und Überlegungen eigene Definitionen.
Aus Erfahrung mit verschiedensten Projekten der Zusammenarbeit wissen wir, dass die Verwendung dieser Unterscheidungen den Beteiligten nützt, um Erwartungen aneinander zu klären, eine realistische Einschätzung des Aufwands zu bekommen, Risiken einzuschätzen und die geeignete Form der Steuerung der Zusammenarbeit zu finden.
Kollaboration ist die Mobilisierung von Wissen und Ressourcen voneinander unabhängiger Akteure, die gemeinsam ein neues Verständnis über einen bestimmten Arbeitsprozess, ein Produkt oder ein Ereignis schaffen und sich miteinander engagieren, um ein Problem gemeinsam zu lösen, eine Lösung gemeinsam zu finden. Dazu müssen sie eine gemeinsame „Sprache“ entwickeln und miteinander geteilte Hypothesen und Lösungskonzepte entwickeln. Dies wird durch dialogisches Aushandeln erreicht. Kollaboration schafft also etwas, was es bisher nicht gab (eine neue Sichtweise auf ein Problem, z.B. die Ursachen einer Krankheit oder die Möglichkeiten der Digitalisierung eines Service) und mobilisiert das Lösungspotential der Beteiligten, die (institutionelle, organisatorische) meist weitgehend oder völlig unabhängig voneinander sind (verschiedene Unternehmen, unterschiedliche Ressorts oder Bereiche), aber einander brauchen, weil eine Gruppe, ein Bereich oder eine Institution alleine nicht über ausreichend Lösungskapazität verfügt (RITTEL, WEBBER, ROSCHELLE, TEASLEY,SCHRAGE, BRUGNACH)
Kooperation ist gekennzeichnet durch die Verteilung von Aufgaben, bei der jeder Beteiligte für einen bestimmten Teil der Problemlösung verantwortlich ist. Kooperation kommt zur Anwendung, wo ein Gesamtziel besteht, zu dessen Erreichen die Akteure in getrennter Verantwortung Lösungen erarbeiten und beitragen. Die Kooperation dient dazu, Kapazitäten der Beteiligten zu nutzen und so besser an ein Ziel zu kommen. Die Kooperationspartner geben keine Befugnisse und Ressourcen an das Kooperationsprojekt ab, sondern behalten die alleinige Entscheidungsgewalt über sie.
Koordination
Hierunter kann man die Abstimmung von Teilaktivitäten in Hinblick auf ein übergeordnetes Ziel verstehen. Sie wird angewandt, um Einzelhandlungen in eine logische Ordnung und in eine zeitliche Abfolge zu bringen (nach Stoller-Schai 2003). Bei der Koordination sind Ziele und Aktivitäten bereits bestimmt, sie dient dazu, diese in eine sinnvolle Ordnung zur Umsetzung zu bringen.
Koordination, Kooperation und Kollaboration werden also zu verschiedenen Zwecken der Zusammenarbeit eingesetzt, wobei sie sich nicht gegenseitig ausschließen. Kollaboration ist vor allem für die Entwicklung und Umsetzung komplexer, noch unbekannter Lösungen erforderlich, Kooperation verteilt Aufgaben zwischen verschiedener Beteiligten zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels, Koordination sorgt für eine sinnvolle Ordnung verschiedener, verteilter bereits definierter Aktivitäten und Vorgehensweisen. Kollaborationen mehrerer Akteure benötigen zur Operationalisierung Kooperation und Koordination. Im Gegensatz dazu benötigen Koordination und Kooperation nicht notwendigerweise Kollaboration.
Erwartungen und Risiken an Zusammenarbeit managen
Aus den Definitionen ergibt sich: Für die Gestaltung der Zusammenarbeit ist es nützlich zu wissen und festzulegen, welche Ko-Form die Situation erfordert und die Beteiligten leisten können. Die Entwicklung komplexer, innovativer Lösungen in einer Kollaboration führt zu einer intensiven Auseinandersetzung der Akteure miteinander, sowohl in fachlicher, als auch in strategischer, organisatorischer und sozial-kultureller Hinsicht. Das kostet Zeit, Energie und Ressourcen. Wenn die Problemlage eine Kollaboration nicht nötig macht, oder Kollaboration wegen dieses intensiven Einlassens aufeinander nicht machbar oder gewollt scheint, sollte man sie nicht aufsetzen, da der Nutzen den Aufwand nicht rechtfertigen mag. Schnell entstehen sonst Situationen, wo die Beteiligten unterschiedliche, und nicht kompatible Erwartungen daran haben, was jeder einbringen soll. Bei der Beschaffung einer neuen Softwarelösung können z.B. verschiedene Organisation mit dem selben Ziel (Unternehmen der gleichen Branche, Behörden) zunächst kollaborativ in der Ideenentwicklung zusammenarbeiten, kooperativ Aufgaben zur Sichtung von Marktlösungen verteilen und schließlich den Auswahlprozess verschiedener Lösungen koordinieren, um zu entscheiden, ob sie gemeinsame oder getrennte Lösungen einkaufen.
Auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass Organisationen eine bestimmte Situation unter-komplex angehen, wenn sie lediglich bekannte Vorgehensweisen und vorhandene Ressourcen koordinieren, anstatt nach neuen Lösungen zu suchen, die einem Bedarf angemessener begegnen. Als Beispiel mag hier die immer noch häufige Situation im Bau dienen, wo die Koordination entweder über einen Generalunternehmer oder Architekten erfolgt. Da hier die Baugewerke für sich allein denken und agieren, ist der Bauablauf und das Ergebnis häufig nicht zufriedenstellend, denn die koordinierende Instanz ist oft nicht in der Lage, das Ausmaß von Komplexität und Dynamik im Verlauf zu überblicken und allein zu steuern.
Die Akteure sollten also vor und während einer Zusammenarbeit klären, was sie gemeinsam erreichen und leisten können, und auch wollen, sodass Erwartungen aneinander, Aufwand und Ergebnis zu den Akteuren und der Problemstellung passen. Das trägt erheblich dazu bei, eine gelungene Erfahrung von Zusammenarbeit zu gestalten und realistische Ergebnisse zu erreichen.
Brugnach, M., Ingram, H. (2012): Ambiguity: The challenge of knowing and deciding together. Environmental Science & Policy 15(1),DOI: 10.1016/j.envsci.2011.10.005
Rittel, Horst W. J.; Webber, Melvin M. (1973). „Dilemmas in a General Theory of Planning“ (PDF). Policy Sciences. 4: 155–169.
Roschelle J., Teasley S.D. (1995) The Construction of Shared Knowledge in Collaborative Problem Solving. In: O’Malley C. (eds) Computer Supported Collaborative Learning. NATO ASI Series (Series F: Computer and Systems Sciences), vol 128. Springer, Berlin, Heidelberg.
Schrage, M. (1990): Shared Minds: The New Technologies of Collaboration. Random House. München
Stoller-Schai, D. (2003): E-Collaboration: Die Gestaltung internetgestützter kollaborativer Handlungsfelder. St.Gallen. Dissertation